„Na, der Donauradweg geht da links lang“, meint Viviane. Steffen darauf: „Du meinst den Bodenseeradweg“. „ Oh, stimmt“. So ging das sicher zehn Mal während der letzten zwei Tage. Viviane war also schon mit Gedanken auf der Weltreise. Allerdings war am Wochenende vorerst die Generalprobe angesagt: Einmal um den Bodensee – 220 km in 2 Tagen mit 12,5 Stunden reinem Gestrampel.
Los ging’s am Samstag früh – Die erste Etappe führte uns an der Aach entlang. Diese entspringt einige Kilometer von Singen entfernt in der größten Quelle Deutschlands. Ein Teil des Aach-Wassers kommt übrigens aus der Donau – vielleicht hatte Viviane deswegen die ganze Zeit den Donauradweg im Kopf.
Die grün-bewachsene Aach haben wir relativ schnell links liegen gelassen und sind über die Schweizer Grenze (übrigens ohne Vivi‘s Perso, wie sich zurück in Singen herausstellte). Die illegale Einwanderin hat sich aber nichts anmerken lassen und ist fleißig auf ihrem Velo auf dem Veloweg gevelot. Die ersten Kilometer sind richtig geflutscht- keine Beschwerden, wenig Gerede.
Es ging über den Rhein in Stein am Rhein über Stock und Stein bis zum Rhein. Ja genau, wir sind von der Stelle, an der der Rhein aus dem Bodensee rausfließt, bis zu der Stelle, an der der Rhein in den Bodensee reinfließt gefahren. Wir haben somit den Alpenrhein bei Altenrhein, den Seerhein im Bodensee und den Hochrhein in Stein am Rhein erleben dürfen. Der Rhein 3 in 1 – und nur ein kleines Stück der insgesamt 1232km von Quelle bis zur Mündung. Mit dieser Länge ist der Rhein nur knapp halb so lang wie die Donau. Btw, wer hätte gedacht, dass ich den Rhein 13 Mal in nur sechs Sätze reinpacken kann?
Hier fließt der Rhein bei Altenrhein in den Bodensee rhein rein
Trotz der Empfehlungen von Radreiseführern sind wir nicht im Uhrzeigersinn um den Bodensee geradelt – wir schwimmen gegen den Strom! Also zuerst durch die Schweiz (72km Uferlänge), dann Österreich (27km) und zum Schluss durch Deutschland (173km). Allerdings geht es nur relativ wenig am Bodensee-Ufer entlang. Diese wahrscheinlich viel schönere Strecke ist den Wanderern und der sonstigen Tier- und Pflanzenwelt vorbehalten.
Im Uferbereich sind nämlich viele Naturschutzgebiete (NSG) ausgewiesen, die mit weitläufigen Schilfteppichen, Feuchtwiesen und Auwäldern einen perfekten Lebensraum für viele Zug- und Brutvögel, seltene Pflanzenarten und alles, was kreucht und fleucht , bietet. Eines davon war z.B. das Naturschutzgebiet Ermatinger Becken kurz vor Kreuzlingen, in dem sich je nach Wasserstand bis zu 40.000 Wasser- und Watvögel aufhalten.
Scharfer Hahnenfuß an Schilf angemacht mit Dreierlei –ein Augenschmaus im Naturschutzgebiet Ermatinger Becken
Zwischen Schienen und Straße eingeengt, oft ohne Bodenseeblick, ging es auf bestens geteerten Wegen in Rennradtempo Richtung „Reinrhein“. Glücklicherweise kamen wir ab und zu durch wirklich idyllische Dörfchen mit traumhaften Fachwerkhäuschen, pompösen Villen und niedlichen Schlössern vorbei. Man wäre das super so eine Immobilie zu besitzen! Vor allem, die kleinen Details haben uns zum Anhalten und Fantasieren gebracht, wie dieser Drache, der eines der schönsten Fachwerkhäuser der Schweiz bewacht.
Die Drachenburg im Kurort Gottlieben – ein gesegneter und gut bewachter Ort
Auch die in voller Blüte stehenden Apfelbäume waren ein wahrer Hingucker. Flower Power en masse! Sobald man etwas den Berg erklimmt, hat man eine wunderbare Sicht auf den Bodensee.
Steffen’s weiter Blick über den Untersee
Die hervorragende Ausschilderung mit gelben Fahrrädern zu unseren Füßen und roten Schildern über unseren Köpfen konnten wir uns nicht verfahren. Data Roaming ist in der Schweiz sowieso nicht zu empfehlen – wie viele schon am eigenen Portemonnaie erfahren mussten. Das GPS-Gerät, das wir testeten, wollte uns zudem immer auf die Hauptstraße leiten und piepte fast ununterbrochen. War am Anfang ganz lustig, aber irgendwann haben wir das Fehlleitsystem einfach abgeschafft.
Immer den roten Schildern nach, zumindest in der Schweiz
In unserer kurzen Snackpause in Romanshorn haben wir nach der tiefsten Stelle im Bodensee Ausschau gehalten. Leider konnten wir die 254m unter der Oberfläche versteckte Stelle nicht entdecken – da konnte auch nicht das GPS-Gerät helfen, obwohl es sich fast wie ein Echolot anhört.
Der große Schock stand uns nach über 115 geveloten Kilometern erst bevor: Der Öko-Campingplatz „Mexico“ in Bregenz war ausgebucht! Das konnte selbst die Besitzerin nicht hervorsehen, die erst 36 Stunden in diesem Jahr offen hatte – mit 200 Anrufen und 100 E‑Mails hatte sie in der ersten Woche einfach nicht gerechnet. Eine E‑Mail war die unbeantwortete von uns. Nach einigem Suchen haben wir uns dann entschlossen, ein paar weitere Kilometer auf uns zu nehmen und nach Lindau zu radeln. Dort konnten wir dann glücklich und legal unser Zelt aufschlagen.
Schick schick unser Hubba Hubba
Nach einer ordentlichen Portion Nudeln mit Tomatensoße von unserem Gaskocher gezaubert und der obligatorischen Kniffelpartie haben wir uns schnell ins Land der Träume aufgemacht.
Am Sonntagmorgen haben wir nach einem reichhaltigen Frühstück die Zelte abgebrochen und uns an die zweite Etappe gemacht.
Mmmmh Haferschleim – unser neues Lieblingsessen
Als erstes stand ein bisschen Sightseeing auf dem Stundenplan: mittelalterliche Gemäuer in der historischen Inselstadt Lindau. Das bayerische Juwel protzt mit dekadenten Hotels und reich verzierten Gebäuden. Vor allem das Alte Rathaus hat uns sehr gut gefallen.
Genug gebummelt und weitergefahren über die älteste Kabelhängebrücke Deutschlands, die bereits seit 1897 in Betrieb ist. Wir haben einen kurzen Abstecher ins Naturschutzzentrum Eriskircher Ried gemacht. Das Eriskircher Ried bietet zwischen Ende Mai und Mitte Juni ein blaues Blütenmeer verursacht durch die Sibirische Schwertlilie. Schade, dass es erst Ende April ist! Aber das Ansichts-Bienenvolk und Infos zur Unterwasserwelt konnten das wieder wettmachen.
In einem Friedrichshafener Park haben wir im Schatten einer Palme schon fast Mittelmeerfeeling und gönnten uns eine etwas längere Pause. Wir haben neben dem ernsten Blick von Kaiser Wilhelm unsere zweite Ration Nudeln mit Tomatensoße gekocht.
Nudeln mit Tomatensoße – Leibspeise Nummer 2
Wieder auf den Rädern und nach einigem Gedrängel durch 100rte bunte Männchen in knallpinken, giftgrünen oder quietschgelben Anzügen, Stau durch 1000nde Familien, Rentner und Radfahranfänger, und Durchschlängeln durch 10.000nde Touristen, waren wir etwas entnervt. Deswegen war es gut, als wir nach Ludwigshafen über die Felder ganz in Ruhe zurück nach Singen geradelt sind.
Wir – nach 210 km nun kurz vorm Ende, dem ehemaligen Anfang der Fahrt in Singen
Unsere Reflexion zur Generalprobe: Trotz top Wetter war die Tour durchwachsen – sowohl physisch als auch psychisch. Also eine richtige Generalprobe.
Was lief gut? Das Radeln macht uns beiden jede Menge Spaß – es ist schon fast meditativ. Zudem waren wir uns beim Weg meistens einig…
Was kann verbessert werden? Unsere Ausrüstung ist noch nicht perfekt und unsere Ausdauer auch nicht. Die 220 km haben uns eine Muskelkatergarantie mitgegeben.
Wir freuen uns die kleinen Verbesserungen zu machen und sind super gespannt auf unser kleines Abenteuer am Anfang des großen Abenteuers.
#Bodenseerundweg #Bodensee #Lindau #Abenteuer #radtour #vaude #leafandsea #naturschutzgebiet #sonne #muskelkater #sonnenbrand #pasta #camping #zelten #testfahrt #ausruestung
Hey ihr, habe so nebenbei mitbekommen dass ihr eine Fahrradweltreise vorhabt und finde das Projekt grossartig! Wohin soll es gehen? Ich hab noch die Berichte unseres Trips damals auf dem Computer, das Blog ist nicht mehr online, aber falls euch das interessieren sollte kann ich gerne mal ne Mail schicken! 🙂