Wir kamen, sahen – und waren enttäuscht. Das war teils unsere, teils die Schuld von anderen. Was alles schief lief bei unserem Besuch im Domogled-Valea Cernei Nationalpark in Rumänien erfährst du in diesem Blogeintrag.
Vivi und Steffen: gutgläubig wie Rentner auf Kaffeefahrt
„Wow, nur 135 Euro für 4 Nächte für 2 Personen in einer 4‑Sterne-Unterkunft! Zwar ohne Verpflegung aber trotzdem RICHTIG gut! Schnell buchen!“ Hätten wir gewusst, was uns erwartet, hätten wir uns sicher nicht so gefreut. Unsere Erwartungen waren solche, welche man eben an eine 4*-Unterkunft hat: Alles gut gepflegt und sauber, freundliches und hilfsbereites Personal. Die 8,0 auf booking.com hätten uns bereits etwas stutzig machen sollen. Aber nein, wir sind gutgläubig wie Rentner auf Kaffeefahrt: Das einzige schlagende Argument dieser Unterkunft: 4 Sterne! Und zwar offiziell bei booking.com – und natürlich im Logo! Wer kann da auch böses ahnen.
Als wir ankommen trifft uns die harte Realität: Die Rezeptionistin interessiert sich null für uns. Sie führt uns lieblos zu unserem Zimmer und möchte sich möglichst schnell wieder ihrem modernen Bilderbuch Instagram widmen. Wir lassen sie ziehen.
Die erste Bestandsaufnahme im Raum: Eine kaputte Lampe, die New-York-Bettwäsche stinkt, es gibt nur eine Steckdose, keine Tischlampe, keine Handtuchhalter, keinen Fön (wir bräuchten auch keinen, aber nur um es zu erwähnen), eine schlecht verbaute Tür etc. etc. etc.
Das Außengelände macht einen grünen, aber schäbigen Eindruck: Der große Garten lädt zum Verweilen ein – auf den ersten Blick. Hollywoodschaukel, Springbrunnen, Bäume, Blumen, ein überdachter Sitzbereich. Leider ist die Umgebung dafür umso unschöner: Lauter Hüttchen, die alle in einem unterschiedlichen Stil und Zeitraum errichtet worden sind – teilweise noch unfertige Gebäude gefüllt mit Müll. Der Swimmingpool gleicht eher einem Desinfektionsbad (nach einmal hineinhüpfen hatten wir eine Woche keine Bakterien mehr an uns). Die Bar ist geschlossen, das Restaurant ist geschlossen, der Spa-Bereich ist geschlossen – alles wohl schon seit längerem. Die anderen Pensionsgäste (warum sind die hier!??) grüßen uns nicht zurück – sicher weil sie auch so unzufrieden sind…
Die Höhe des Ganzen: Das Wifi funktioniert nur direkt vor der Rezeption. Wir müssen uns jeden Tag Tisch und Stühle dahintragen und sitzen dort sehr ungemütlich. Keine Problembehandlung, Tragehilfe geschweige denn eine Entschuldigung vom Personal.
Das Fazit: eine sehr lieblos geführte Einrichtung, die eine Generalüberholung dringend nötig hätte. Sie hat eher 2 anstatt 4 Sterne verdient (geht nicht in die Pension El Plazza!).
Ja, meckern können die Deutschen sehr gut 😉 Aber wir möchten es euch trotzdem nicht vorenthalten, da die Unterkunft ein Aspekt davon ist, warum der Aufenthalt suboptimal für uns war.
Keine Hosts, kein Zeltplatz, kein Wildcampen, keine Freunde
Wie wir aber überhaupt dazu kamen diese Unterkunft zu buchen, lag daran, dass es keine aktiven Couchsurfing‑, BeWelcome- oder Warmshower-Hosts in Baile Herculane, dem Ort des Geschehens, gibt. Auch ein Zeltplatz kommt bei Wanderungen für uns nicht in Frage, da wir unsere Sachen gerne sicher eingeschlossen wissen. Und Wildcampen ist in Nationalparks sowieso tabu. Und da halten wir uns natürlich dran! Das ist für uns vor allem schade, da wir so nicht mit lokalen Menschen in Berührung gekommen sind und somit wenig über Rumänien, die Kultur, Politik und die Lebensart aus erster Hand erfahren haben. Leider also keine Hosts, kein Zeltplatz, kein Wildcampen, keine Freunde für uns. Ihr lieben Rumänen, wir hätten euch gerne kennengelernt! Schade!
Ich stellte mir einen Moos-Märchenwald mit majestätischen Riesen vor
Warum wollte ich eigentlich unbedingt hierhin? Der Nationalpark Domogled – Valea Cernei reizt mich so unglaublich, weil ich mich im Rahmen der „SaveParadiseForests“ Kampagne bei der Naturschutzstiftung EuroNatur für die Urwälder in den rumänischen Karpaten eingesetzt habe. Leider bin ich in dem halben Jahr nicht dazu gekommen, diese prächtigen Wälder selbst zu erleben. Deswegen sollte es während der Radtour so weit sein! Ich stellte mir einen Moos-Märchenwald mit majestätischen Riesen vor, Geräusche von raschelnden Blättern, das Rauschen von klaren Bächen, die eingeengte Weite der bewaldeten Täler, die Luft gesättigt vom Geruch des weichen Laubbodens. Die Vorfreude war echt riesig. Schlechte Stimmung und schlechte Planung führten dazu, dass wir den Paradieswald letztendlich größtenteils nur erahnen konnten. Ein paar Eindrücke geben die nächsten Bilder.
Wunderschön, wie das Licht sich im Buchenwald bricht. Wir sind bezaubert!
Wow, das ist ein fetter Oschi! Ich liebe große und alte Bäume wie diese Buche! Treehug for free 🙂
Auch Tiere gab es einige zu bestaunen. Hier ein ganz schickes fliegendes Ansichtsexemplar.
Der Stock mit seinem Weisen.
Hier konnten wir die eingeengte Weite der bewaldeten Täler bestaunen.
Bildbeschriftung: „Gelbes Zeug“ – so zumindest sieht Steffen diese Pilze – oder Schwämme??
Wir hätten lieber in den Nationalpark trampen sollen
Im über 60.000 Hektar großen, langgezogenen Nationalpark gibt es also einiges zu bestaunen. Wir konnten gerade einmal 2 Wanderrouten und nur 15km auf der geteerten Straße 67D im Cerna-Tal in unserer Zeit hier mitnehmen. Die Gebirgsketten „Domogled“, „Mehedinți“ und „Godeanu“ ragen bis zu 2200 Höhenmeter empor und bilden faszinierende Felsformationen und Täler. Aber bis zu den schönsten Plätzen sind wir mit unseren Rädern leider nicht gekommen. Wir haben relativ unspektakuläre Wanderrouten genommen (wir sind keiner Menschenseele begegnet). Nur mit Fahrrad und sehr wenig Lust dieses zu benutzen, ist man hier echt aufgeschmissen. Wir hätten per Anhalter tiefer in den Nationalpark trampen sollen… Unser Fehler! Also müssen wir noch einmal zurück kommen um die wirklichen Highlights – insbesondere den Urwald – zu sehen! Hier aber noch einige Eindrücke unserer 2 Wanderungen.
Für unsere erste Tour machten wir uns mit unseren Rädern auf zum Besucherzentrum. Das war sehr gut ausgeschildert und befand sich weiter innerhalb des Nationalparks ca. 4 km entfernt von unserer Unterkunft. Nach ein paar Hügeln kamen wir an. Über einen Holzsteg ging es in die relativ moderne Ausstellung.
Neben einer nachgebauten Tropfsteinhöhle und einem Baumstammwald gibt es auch einige Erklärtafeln.
Vor allem das interaktive, mehrsprachige Touch-Infopanel hat es mir angetan.
Auf der unteren Etage gibt es zudem eine topographische Miniausgabe des Nationalparkes mit Markierungen der Gipfel.
Leider konnte die Betreuerin kein Englisch. Sie drehte uns aber eine Wanderkarte an – die schlechteste, die ich je gesehen habe. Für 10 lei (ca. 2,50 Euro).
Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald
Wir entschieden uns eine Wanderung zu einem Wasserfall zu machen. Trotz Karte und Kennzeichnungen schafften wir es aber nach nur 5 Metern auf dem richtigen Weg die falsche Abzweigung zu nehmen. Nach ca. 300m steil berghoch (es fühlte sich an wie 3km) fanden wir ein süßes Bauernhäuschen vor und die alte Dame (sicher über 80) zeigte mir, dass wir alles wieder zurück mussten. Frustriert machten wir Mittagspause.
Ein Bild mit Hof und Heukegel war aber noch drin.
Also zurück zum Anfang und nach kurzem Suchen waren wir endlich ENDLICH auf unserem Wanderweg – an jedem dritten Baum schaute uns hämisch grinsend ein rotes Auge an (die Markierung). Echt peinlich! Aber aufgrund der ur(wald)igen Atmosphäre war unser Verlaufen schnell vergessen.
Das Plätscher Plätscher begleitete uns auf unserem Weg nach oben – leider war dort der versprochene Wasserfall ausgetrocknet.
Der Stock und die Geführte.
Auf einmal sprang Steffen wie eine Katze mit Buckel und allen Vieren von sich gestreckt über ein paar Wurzeln. Der Grund:
Diese Europäische Hornotter – zugehörig zur Roten Liste gefährdeter Arten (nein, das ist nichts kriminelles sondern traurig)– aber hier glücklicherweise sehr gesättigt und träge. Ein Biss wäre nicht so angenehm gewesen, da die Hornotter gerne ihr Gift dazugibt.
Entertainment der Waldbewohner
Während der gesamten Wanderung wurden wir von Partymucke – ein DJ wurde extra für das Entertainment der Waldbewohner beauftragt. Nein, Scherz beiseite. Im Cerna-Tal gibt es ein Badeparadies und die Musik ist im Umkreis von 5 km in allen Tälern zu vernehmen. Hier tummeln sich die Locals aus den gesamten angrenzenden Gemeinden tagein tagaus und hunderte Autos stapeln sich entlang der 67D. Richtiges Nationalparkfeeling…
Unsere zweite Wanderung machten wir von unserer Haustür aus. Nach einem super anstrengenden Anstieg waren wir froh, als es wieder bergab ging. Da wurden wir dann auch belohnt mit ein paar Highlights.
Hier ist nicht irgendein angezündeter Müllhaufen zu sehen – nein, es ist die Dampfgrotte (in rumänisch Grota cu aburi). Aus der 14m langen Grotte steigen komische Geräusche auf. Der warme Dampf stinkt schwefelig. Wir lesen später, dass hier die unter Naturschutz gestellte Moosart Philonotis schliephacke lebt. Jedem das seine…
Und das beste Bild zum Schluss: Ein Panorama mit Blick über das Cerna-Tal… Atemberaubend, ge / ne?
In Baile Herculane gab es dann ein heißes Schwefelbad und Abkühlung in der Cerna.
Nackige Statuen und verschnörkelte Gitter
Baile Herculane heißt auf Deutsch Herkulesbad und die Geschichte reicht fast zurück bis zu Jesus’ Geburt! Die Römer haben sich in den Schwefelpfützen auch schon erholt. Die vielen Schwefelwässer und Heilquellen sind anscheinend gut für diverse gesundheitliche Beschwerden. Deswegen ist Baile Herculane auch ein Kurort.
Die spätbarocken Gebäude haben einen besonderen Charme mit ihren nackigen Statuen und verschnörkelten Gittern. Zu schade, dass die meisten von ihnen verfallen sind – stattdessen gibt es weiter am Eingang des Nationalparks viele Betonbauten. Wenn man Kontraste mag, ist man hier genau richtig!
Der größte Kontrast ist aber, dass Teile der uralten, noch nie von Menschenhand gestörte Wildnis nun an den Leib gerückt wird. Weit gefehlt, wenn jemand denkt, dass es erkundungswütige, faszinierte Wanderer wären, die hier den geschützten Raritäten der Flora und Fauna auf die Spur gehen wollen. Ganz im Gegenteil! Die Nationalparkverwaltung hat es faustdick hinter den Ohren und sahnt jedes Jahr Hunderttausende von Euros durch illegal geschlagenes Holz ab. Alles Mafia hier! Mit diesen bösen Machenschaften hatte ich schon während meiner Zeit bei EuroNatur zu tun. Der Nationalparkdirektor hat im Mai 2018 sogar behauptet: „Der Wald selbst will abgeholzt werden“. Falls du das auch untragbar findest, informier dich auf der SaveParadiseForests-Website, abonniere den Newsletter und mache eine Spende. Es laufen nämlich gerade nationale Klagen gegen die rumänische Regierung und jede Hilfe ist willkommen. Eine Randbemerkung noch dazu: Auf unserer Wanderkarte waren Forstwege eingezeichnet – insbesondere im oberen Cernatal scheinen es mehr Forst- als Wanderwege zu sein. Da weiß man sofort worauf der Fokus gelegt wird.
Bei unserer kurzen Radtour am letzten Tag sind wir noch in ein ordentliches Gewitter gekommen. Deswegen konnten wir auch den zweiten Wasserfall (den größten Rumäniens) nicht besichtigen – Dödöm…
Gut, dass die Regensachen dabei waren! So hat der Regen sogar etwas Spaß gemacht.
Lichterketten-Autobahn ohne Seitenstreifen
Nun noch zu einer elementaren Frage: Wie sind wir überhaupt an- und abgereist? Wir wollen euch das natürlich nicht vorenthalten. Auf der rumänischen Seite gab es nur eine Lichterketten-Autobahn (viel befahrene Strecke) ohne Seitenstreifen entlang der Donau und links, rechts, oben und unten keinen anderen Fahrradweg, entschieden wir uns dazu, den Zug zu nehmen. Eine relativ teure Angelegenheit: 16 Euro für 2 Personen und 2 Räder für 43 km lange Fahrt.
Warten auf den verspäteten Zug – auch auf unserer Anreise in Drobeta Turnu Severin.
Bequem war die Fahrt nicht, da Steffen die Räder festhalten musste. Aber wir haben es überlebt.
Und das Bahnhofsgebäude in Baile Herculane hätten wir sicher nicht gesehen, wenn wir mit den Rädern angereist wären.
Der Zug hat 55 Minuten Verspätung – nicht
Was uns da noch passierte, könnte trotz der Kritik an der DB in Deutschland nicht geschehen: Als wir auf den Zug warteten, kam ca. 10 Minuten vor der Abfahrt die Information, dass der Zug 55 (!) Minuten Verspätung haben würde! Ein Großteil der Wartenden machte sich vom Gleis, um irgendwo einen Kaffee trinken zu gehen. Verständlich. Uns war das aber zu umständlich und wir blieben sitzen. Nach nicht einmal 20 Minuten trudelte der Zug schon ein! Viele haben ihn wohl verpasst und mussten auf den Zug 8 Stunden später warten! Verrückt, ey!
Alles in allem haben uns die vier Tage im Domogled trotzdem gut gefallen. Aber trotzdem müssen wir zurück kommen – und es kann nur besser werden (im Gegensatz zu den zweiten oder dritten Fortsetzungen vieler Filme). Vielleicht kommen wir in Zukunft ja mit einem Elektroauto hierhin zurück…
P.S.: Ab jetzt wird es immer einen kleinen Steckbrief zu jedem Nationalpark von uns geben (danke Wikipedia ;).
- Nationalpark: seit 1990
- IUCN Kategorie II Nationalpark: seit 2006
- Fläche: 612km2
- Besonderheiten: Wasserfall, warme Höhlen, Thermalquelle, Urwälder
- Landschaften: Karstlandschaft
- Pflanzen: 1100 Arten, darunter Gras-Schwertlilie, die Trollblume (streng geschützt) und Stechender Mäusedorn (geschützt)
- Tierarten: 1463 Schmetterlingsarten, Fledermäuse, diverse Vogelarten, Europäische Äsche und weitere Fischarten, Gelb- und Rotbauchunken und weitere Amphibien, die Europäische Hornotter und weitere Reptilien, Luchs, Braunbär und Co.